Technologien für Digitale Zwillinge - Übersicht und Einordnung
Für Digitale Zwillinge gibt es eine Vielzahl an Modellen, Technologien und Plattformen. Da stellt sich schnell die Frage, was man wofür einsetzt, besonders dann, wenn man noch neu im Thema ist. Um einen kleinen Überblick zu bekommen, haben wir einige Komponenten aus dem Umfeld des Digitalen Zwillings in der Produktion ausgewählt und näher betrachtet. Bei der Auswahl haben wir uns auf solche Komponenten konzentriert, die uns besonders wichtig erscheinen beziehungsweise das Potential haben, zukünftig eine wesentliche Rolle bei der Umsetzung Digitaler Zwillinge zu spielen.

Whitepaper: Beispiele für die erfolgreiche Digitalisierung der Produktion
Wer wettbewerbsfähig bleiben will, muss seine Prozesse digitalisieren: Die Kundenwünsche werden immer anspruchsvoller und sind mit herkömmlichen analogen Prozessen nicht zu erfüllen. Kunden fordern heute immer individuellere Produkte und schnelle, flexible, transparente Prozesse. In diesem Dokument finden Sie praxisnahe Beispiele, wie die Digitalisierung in den Bereichen Strategie, Planung, Produktion, Auslieferung, Transport und Regulierung zu mehr Wertschöpfung im Unternehmen führt.
Die Komponenten wurden nach Kategorien geordnet, ihre Verbreitung und Branchenzuordnung bewertet sowie weitere Merkmale beschrieben, die in der folgenden Übersicht dargestellt sind.
Eine besondere Rolle messen wir dem RAMI 4.0 Referenzmodell zu. Daher haben wir die betrachteten Komponenten zusätzlich den drei Ebenen Layers, Life Cyle und Hierarchy Levels des RAMI 4.0 Referenzmodells zugeordnet.
RAMI 4.0
Definition
- dreidimensionale Landkarte, die beschreibt, wie man das Thema Industrie 4.0 strukturiert angehen kann
- serviceorientierte Architektur
- führt alle Elemente und IT-relevanten Komponenten in einem Schichten- und Lebenszyklusmodell zusammen
- teilt komplexe Abläufe in überschaubare Pakete auf (inkl. Datenschutz und IT-Sicherheit)
Kategorie
Referenzarchitekturmodell
Verbreitung
prototypisch
Branchen
- Industrie, Verarbeitendes Gewerbe
- per se branchenübergreifend
Standard
Standardisierungs-Organisation
DIN SPEC 16593-1 Referenzmodell Industrie 4.0
Abbildung des digitalen Zwillings (Datenmodell und Perspektiven)
Die Verwaltungsschale (AssetAdministrationShell) ist die Implementierung des digitalen Zwillings im Sinne von RAMI.
- Datenmodell vorhanden
- Perspektiven wie Identifikation, Dokumentation, Umgebung, Herstellerinformationen und Zustand können als Teilmodelle abgebildet werden
Lizenz
keine
International Dataspace
Definition
Initiative
Ziele:
- auf Basis eines Referenzarchitekturmodelles einen sicheren Datenraum schaffen
- Enabler für die souveräne Bewirtschaftung von Datengütern
Zielgruppe: Unternehmen verschiedener Branchen und aller Größen
Kategorie
Referenzarchitekturmodell
Einordung in RAMI 4.0 Schichtenmodell
- Layers: Deckt alles ab
- Life Cycle: Instance
- Hierarchy Levels: Connected World, Enterprise
Verbreitung
prototypisch
Branchen
- Industrie, Verarbeitendes Gewerbe
- Transport und Verkehr
Standard
- (noch) proprietär
Abbildung des Digitalen Zwillings (Datenmodell und Perspektiven)
- kein konkretes Datenmodell für Digitalen Zwilling vorhanden
- Abbildung als „DataAsset“ möglich
Lizenz
keine
OPC-UA
Definition
Open Platform Communications Unified Architecture, kurz OPC UA
- industrielles M2M-Kommunikationsprotokoll
- Sammlung von Standards für die Kommunikation und den Datenaustausch im Umfeld der Industrieautomation
- Scope
- Transport von M2M-Daten
- Schnittstellen
- Semantik von Daten
- serviceorientierte Architektur
Kategorie
Anwendungsorientierte Technologien
Einordung in RAMI 4.0 Schichtenmodell
- Layers: Information, Communication
- Life Cycle: Type und Instance
- Hierarchy Levels: Control Device, Station, Workcenter
Verbreitung
produktiv selten
Branchen
- Industrie, Verarbeitendes Gewerbe
- per se branchenübergreifend
Standard
Standardisierungs-Organisation
IEC 62541
Abbildung des Digitalen Zwillings (Datenmodell und Perspektiven)
- Datenmodell vorhanden
- CompanionSpecs mit konkreter semantischer Beschreibung
Lizenz
keine
AutomationML
Definition
AutomationML (Automation Markup Language) ist ein neutrales, XML-basiertes Datenformat für die Speicherung und zum Austausch von Anlagenplanungsdaten, das als offener Standard zur Verfügung steht. Ziel der AutomationML ist der Austausch von Engineering-Daten in einer heterogenen Tool-Landschaft von modernen Engineering-Werkzeugen für verschiedene Disziplinen.
AutomationML setzt sich aus verschiedenen Standards zusammen, die über stark typisierte Links verbunden sind.
Kategorie
Informationsmodelle
Einordung in RAMI 4.0 Schichtenmodell
- Layers: Information
- Life Cycle: Type
- Hierarchy Levels: Product bis Workcenters
Verbreitung
produktiv selten
Branchen
- branchenneutral
- Automobilindustrie ist Vorreiter
Standard
DIN EN IEC 62714-1 Datenaustauschformat für Planungsdaten industrieller Automatisierungssysteme - Automation markup language - Teil 1
Abbildung des Digitalen Zwillings (Datenmodell und Perspektiven)
- Datenmodell für einen Teil des Digitalen Zwillings vorhanden, nicht umfassend
- Fokus Engineering (Anlagenplanung)
Lizenz
keine
MQTT
Definition
Message Queuing Telemetry Transport (MQTT) ist ein offenes Nachrichtenprotokoll für Machine-to-Machine-Kommunikation (M2M), das die Übertragung von Telemetriedaten in Form von Nachrichten zwischen Geräten ermöglicht, trotz hoher Verzögerungen oder beschränkter Netzwerke. Entsprechende Geräte reichen von Sensoren und Aktoren, Mobiltelefonen, eingebetteten Systemen in Fahrzeugen oder Laptops bis zu voll entwickelten Rechnern.
Kategorie
Transportorientierte Technologien
Einordung in RAMI 4.0 Schichtenmodell
- Layers: Communication
- Life Cycle: Instance Production
- Hierarchy Levels: Product bis Station
Verbreitung
produktiv häufig
Branchen
Produktion, alle Branchen
Standard
OASIS Standard MQTT 5.0
Abbildung des Digitalen Zwillings (Datenmodell und Perspektiven)
kein Datenmodell für Digitalen Zwilling vorhanden
Lizenz
Es gibt verschiedene Implementierungen des Standards MQTT, die ggf. lizenzpflichtig sind.
Freier MQTT-Broker: HiveMQ
BIM
Definition
Der Begriff Building Information Modeling (kurz: BIM; deutsch: Bauwerksdatenmodellierung) beschreibt eine Methode der optimierten Planung, Ausführung und Bewirtschaftung von Gebäuden und anderen Bauwerken mithilfe von Software. Dabei werden alle relevanten Bauwerksdaten digital modelliert, kombiniert und erfasst. Das Bauwerk ist als virtuelles Modell auch geometrisch visualisiert (Computermodell).
Kategorie
Methode und teilweise Referenzarchitekturmodell
Einordung in RAMI 4.0 Schichtenmodell
Prinzipell ähnliche Herangehensweise wie RAMI
- Layers: Deckt alles ab
- Life Cycle: Type
- Hierarchy Levels: Workcenter, Station, Enterprise
- zusätzlich sind in BIM Reifegrade definiert
Verbreitung
international: produktiv häufig
Deutschland: produktiv selten
Branchen
- Baubranche, TGA
- Immobilienbranche
- Infrastruktur
- Transport (insbesondere Bahn)
- Konstruktion und 3D-Druck
In der Industrie noch weitgehend unbekannt.
Paper zur Verknüpfung von RAMI und BIM: Synergien der beiden Konzepte BIM und Industrie 4.0
Standard
Abbildung des Digitalen Zwillings (Datenmodell und Perspektiven)
Der Begriff des Digitalen Zwillings wurde historisch nicht explizit verwendet, allerdings ist BIM z. B. in Microsofts Azure Digital Twins ein integraler Bestandteil – Stichwort: „contextually-aware IoT Solutions“.
Lizenz
keine
Fiware
Definition
- Open-Source-Plattform für das Internet der Dinge
- Definition eines offenen Standards für den Datenaustausch im Bereich IoT „NGSI (Next Generation Service Interface)“
- IoT-Plattform mit Funktionsbausteinen („Generic Enabler“) zur Realisierung effizienter neuer Lösungen und Smart Services
Kategorie
Plattformen / Lösungen
Einordung in RAMI 4.0 Schichtenmodell
- Layers: Asset, Integration, Communication, Information
- Life Cycle: Instance
- Hierarchy Levels: Product bis Enterprise
Verbreitung
produktiv selten
Branchen
- Smart-Cities: stark
- Agrifood: schwach
- Industrie 4.0: schwach
Standard
(noch) proprietär
Abbildung des Digitalen Zwillings (Datenmodell und Perspektiven)
- rudimentäres Datenmodell für verschiedene UserCases vorhanden
- mit dem Fiware Kontextbroker lassen sich nicht nur Datenmodelle abfragen, sondern es ist auch möglich, Execution-Kommandos an IoT-Geräte zu übermitteln
Lizenz
prinzipiell OpenSource
Orion Kontext Broker benutzt die GNU AFFERO GENERAL PUBLIC LICENSE > CopyLeft Lizenz
SAP AIN
Definition
Asset Intelligence Network der SAP
Hersteller und Endkunden können Informationen über Equipments über die Verwendung einer Cloud erstellen und teilen. Ziel ist es, ein globales Geräteverzeichnis zu schaffen, welches auf gemeinsame Definitionen zurückgreift. Im Fokus stehen hierbei Klassifizierung und Standardisierung.
Kategorie
Plattformen / Lösungen
Einordung in RAMI 4.0 Schichtenmodell
- Layers: Deckt alles ab
- Life Cycle: Type Development
- Hierarchy Levels: Connected World
Verbreitung
produktiv selten
Branchen
Produktion alle Branchen
Standard
proprietär
Abbildung des Digitalen Zwillings (Datenmodell und Perspektiven)
Implementiert den Digitalen Zwilling eines Bauteils
Lizenz
ja
BaSys 4.0
Definition
Basissystem Industrie 4.0
Förderprojekt des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) zur Schaffung einer Offenen Plattform für die vierte industrielle Revolution
Das Ziel von BaSys 4.0 ist die Entwicklung eines Basissystems für Produktionsanlagen, das die effiziente Wandelbarkeit eines Produktionsprozesses als zentrale Herausforderung der vierten industriellen Revolution realisiert. Dabei gilt es, bestehende Technologien so zu vernetzen und zu integrieren, dass Industrie 4.0 Anwendungen realisiert werden können. Hierzu hat das Projekt eine virtuelle Middleware entwickelt, die es erlaubt, die dazu erforderlichen Dienste bereitzustellen und miteinander zu verknüpfen.
OpenSource Referenzimplementierung: Eclipse BaSyx
Kategorie
Plattformen / Lösungen
Einordung in RAMI 4.0 Schichtenmodell
- Layers: Deckt alles ab
- Life Cycle: Instance
- Hierarchy Levels: Product bis Enterprise
Verbreitung
experimentell
Branchen
Produktion alle Branchen
Standard
proprietär
Abbildung des Digitalen Zwillings (Datenmodell und Perspektiven)
Implementierung des Digitalen Zwillings (Verwaltungsschale nach RAMI)
Lizenz
Eclipse BaSyx ist OpenSource
Eclipse Public License - v 2.0
Azure Digital Twins
Definition
Azure Digital Twins ist ein Azure IoT-Dienst zur Erstellung umfassender Modelle der physischen Umgebung mittels Raumintelligenzgraphen, um die Beziehungen und Interaktionen zwischen Personen, Bereichen und Geräten zu modellieren.
Kategorie
Plattformen / Lösungen
Zusätzlich Digital Twins-Objektmodell und Raumintelligenzgraphen, die Referenzmodellcharakter haben
Einordung in RAMI 4.0 Schichtenmodell
- Layers: Deckt alles ab
- Life Cycle: Type, Instance
- Hierachy Levels: Deckt alles ab
Alle RAMI Layers sind abgedeckt, aber das Konzept der Azure Digital Twins geht weit darüber hinaus, siehe Abbildung Digitaler Zwilling.
Verbreitung
IoT Hub: produktiv häufig
Azure Digital Twins: experimentell
Branchen
Home und Unternehmen, insbesondere werden genannt und mit Szenarien hinterlegt:
- Diskrete Fertigung
- Energieversorgung
- Prozessfertigung
- Transportwesen und Logistik
Standard
Proprietär bzw. Industriestandard (je nach Betrachtungsweise und verwendeten Komponenten/Technologien)
Abbildung des Digitalen Zwillings (Datenmodell und Perspektiven)
Umfassend und erweiterbar, Schwerpunkt auf räumlicher Perspektive
Lizenz
teilweise OpenSource

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